Astrologie und Naturwissenschaften |
Die Kumulation von Zuordnungen |
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Solange astrologische Entsprechungen individuell von den jeweiligen Astrologen in ihren Büchern aufgezählt wurden, schien alles ganz einfach: Zu einem Begriff stand im Astrologiebuch in der Regel eine Zuordnung. Aber es standen durchaus nicht in jedem Buch dieselben Korrespondenzen. Durch das Zusammentragen in Zuordnungsbüchern kamen dann die verschiedenen Entsprechungen zusammen. Das bedeutet, dass der Benutzer eines Zuordnungshandbuchs zuvor genau wissen muss, welche Entsprechung er sucht. Ein mechanisches Ablesen nach dem Begriff ist nicht möglich.
Über diese quasi „natürliche“ Kumulation von Zuordnungen, die sich aus der Vielfältigkeit eines Begriffes ergibt, hinaus finden sich jedoch auch Zusammenstellungen von Zuordnungen, die durchaus kritisch betrachtet werden müssen. Neuerdings reicht nämlich die Berücksichtigung des Bedeutungsinhalts nicht immer aus. Mit dem Aufkommen des Internets haben sich die Veröffentlichungsmöglichkeiten stark erweitert. Unter Aufwendung relativ geringer Kosten kann zur Zeit jeder seine astrologischen (und auch sonstigen) Erkenntnisse einem großen Publikum verfügbar machen. Qualitätskontrollen finden dabei allerdings nicht statt. Seit der Aufhebung des letzten Lehrstuhls für Astrologie im deutschsprachigen Raum existiert auch keine Instanz mehr, die dafür prädestiniert wäre. Die große Diversität der Astrologie – von Stundenastrologie bis Hamburger Schule, von Elektionen bis psychologische Astrologie, von Wetterastrologie bis zur Mundanastrologie, usw. – macht sinnvolle allgemeine Richtlinien schwierig. So kann, wer immer möchte, sein astrologisches „Wissen“ verbreiten und als die Astrologie ausgeben. Auf diese Weise sind in den elektronischen Medien viele neue Zuordnungslisten veröffentlicht worden. Dabei handelt es sich nicht immer um tatsächlich neue Korrespondenzen, sondern häufig um anders-Deutungen bereits bestehender Entsprechungen. Es fragt sich, ob es in jedem Fall sinnvoll ist, sie zusätzlich in die vorhandenen Verzeichnisse aufzunehmen.
Es ist also in den letzten Jahren eine regelrechte Inflation an veröffentlichten Zuordnungen zu beobachten, die nicht nur die Anfänger und Studierenden der Astrologie verwirren können. Es schleicht sich ein Gefühl von Beliebigkeit ein, wenn z. B. beim Nachsuchen eines Begriffes im Internet vier, fünf oder sogar mehr astrologische Symbole zugeordnet sind. Dabei ist es jedoch nicht so, dass diese Entsprechungen einfach falsch sind. Die Häufungen sind aus sehr unterschiedlichen Gründen entstanden, die im Folgenden erläutert werden sollen.
Insbesondere, wenn man die astrologische Literatur aus der Zeit vor der Entdeckung der Transsaturnier studiert, kann man diesen Zusammenhang erkennen. Hier einige Beispiele:
Begriff |
Gefunden bei |
alte Zuordnung |
heutige Zuordnung |
Drogen |
al-Biruni 1029v |
(Skorpion-)Mars |
Pluto |
Genitalien |
Ptolemäus 2. Jhd. |
(Skorpion-)Mars |
Pluto |
Heuchler |
Partridge 1679 |
(Fische-)Jupiter |
Neptun |
Nonkonformist |
Gadbury 1658 |
(Wassermann-) Saturn |
Uranus |
Scharlatan |
Lilly 1647 |
(Fische-)Jupiter |
Neptun |
Schubkarre |
Lilly 1647 |
(Wassermann-) Saturn |
Uranus |
Behält man die früheren Zuordnungen bei, bekommen Begriffe auf diese Weise zwei Signifikatoren. Prinzipiell ist das natürlich kein Problem, denn es gibt ja durchaus noch Astrologen und astrologische Techniken, die allein die klassischen Planeten berücksichtigen. Alle anderen müssen sich aber vergegenwärtigen, wie die Doppelzuordnung entstanden ist, um die eigene Deutung entsprechend präzise vornehmen zu können.
Wenn definiert wird, dass Krankheit grundsätzlich Pluto zuzuordnen ist, dann wird jeder Einzelentsprechung einer Krankheit Pluto begefügt, also
– Bandscheibenvorfall Saturn + Pluto
– Blinddarmentzündung Mars + Pluto + Jungfrau
– Durchfall Mond + Pluto
– usw.
Solche „übergeordneten“ Korrespondenzen sind z. B. Mond für alles Essbare, Saturn für alle Gebirge oder Neptun für alle Pilze.
An dieser Stelle findet in Wirklichkeit eine überflüssige Kombination statt, denn die pauschalen Zuordnungen hat jeder astrologisch Arbeitende aufgrund seiner Ausbildung im Kopf. Wenn also Trennschärfe wichtig ist, wie besonders im medizinischen Bereich, sollte die pauschale Entsprechung beim Einzelbegriff weggelassen werden.
Bei einigen Veröffentlichungen von Zuordnungen wird jedem Planeten das Zeichen, das er regiert, und das korrespodierende Haus zusätzlich quasi „automatisch“ zugeordnet. Dies entspricht nicht der astrologischen Tradition und macht auch häufig gar keinen Sinn. Es kommen auf diese Weise zwar viele Zuordnungen zusammen, ihre Qualität wird jedoch zweifelhaft.
So kann man sich zwar vorstellen, dass scharfe Salsa-Soße dem Planeten Mars zugeordnet ist. Was aber soll an ihr widderhaft sein? Widder ist das erste Mundanzeichen und kennzeichnet Aufbruchsorientierung und Neuanfänge. Das hat mit einer Würzsoße nichts zu tun. Noch weniger fügt sich Salsa-Soße zu den Lebensbereichen des 3. Hauses: Kommunikation und Geschwister.
Ein Beispiel, wo eine solche Zusammenstellung sinnvoll sein kann, ist der Redakteur, dessen Zuordnungen Merkur, Zwillinge und 3. Haus heißen. Ein Redakteur schreibt Artikel, die täglich ein anderes Thema betreffen und dient dabei der menschlichen Kommunikation.
Wenn also bei einem Begriff sowohl ein Planet als auch das zugehörige Tierkreiszeichen und Haus genannt werden, ist zu prüfen, welche der Zuordnungen für die Deutung brauchbar ist, möglicherweise sind es auch zwei oder alle drei.
Diese Art der Kumulation ist häufig bei Pflanzen oder Steinen anzutreffen. Als Beispiel hier das Leberblümchen, Hepatica nobilis, auch „Blaues Herzblümchen“ genannt:
– blaue Blütenfarbe Venus
– frühjahrsblühend Mars
– Leber-Heilmittel Jupiter
– kleines Gewächs Merkur
– trockener Standort Saturn
– Heilkraut Chiron
– Droge Pluto
– Herzblümchen Sonne
Die Aufzählung macht deutlich, dass jede dieser Zuordnungen eine Begründung hat. Die Summierung führt jedoch zu der bereits beklagten Beliebigkeit und macht die Liste für den Gebrauch z. B. in der Kräuterheilkunde wertlos. Die einzige für Heilzwecke zielführende Entsprechung ist tatsächlich Jupiter.
Bei der Erarbeitung der neuen Auflage des "Handbuchs der astrologischen Zuordnungen" wurde versucht, unnötige Kumulationen von Zuordnungen zu vermeiden, auch wenn das nicht immer gelungen sein mag.
Die wenigen Beispiel machen deutlich, dass der Gebrauch von Zuordnungsbüchern keineswegs grundlegende Kenntnisse der astrologischen Symbole ersetzt. Nur mit ausreichend Hintergrundwissen kann die jeweils zutreffende Entsprechung ausgesucht werden. Hier wird die Parallele zwischen einem Sprachwörterbuch und einem astrologischen Zuordnungsbuch sichtbar. So wie maschinelle Übersetzungen von einer Sprache in eine andere oft zu lustigen bis falschen Ergebnissen führen, so kann der unprofessionelle Gebrauch von Zuordnungsbüchern die astrologische Deutung unverständlich machen.
Der versierte Übersetzer wird nicht auf sein Nachschlagewerk verzichten wollen, der Anfänger in der Fremdsprache muss seinen Gebrauch erst lernen. Dem versierten Astrologen ist ein Zuordnungsverzeichnis eine wertvolle Hilfe zur Ergänzung und Verfeinerung seiner Deutungen. Der Anfänger muss seinen Gebrauch lernen, indem er z. B. die oben genannten Umstände in seine Überlegungen einbezieht.